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Fehlertoleranz in der Gesellschaft?

Walter Straub | 10. Februar 2021


Seit Jahren bemühen sich Organisationen um die Weiterentwicklung der Unternehmenskulturen, sie wollen und sollen unter anderem innovativer werden.

Unsere deutsche Kultur verlangt (immer noch) Fehlerfreiheit, Perfektion, Hierarchie-Gläubigkeit, Widersprüche gegenüber Vorgesetzten im Zaum halten, bevor man mit Ideen/Lösungen an die „Öffentlichkeit“ gehen darf, müssen sie „zu Ende gedacht“ sein, Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser, Arbeit und Lernen muss weh tun…


Alles Anforderungen, die uns halbwegs erfolgreich durch die 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts gebracht haben, die uns aber auch von den innovativen, technologischen Spitzenplätzen vertrieben haben.

Diese Kultur hat VW und AUDI den Abgas-Skandal gebracht, keine Innovation, sondern Betrug.


Wer keine Fehler machen darf, wird sich nicht bewegen oder nur ausgetretene Pfade gehen. Wirklich Neues entsteht durch risikobehaftete Experimente, Ausprobieren mit der Akzeptanz des Scheiterns = „Fehler“ machen dürfen, heißt „Erfahrungen“ machen dürfen!

Da unsere deutschen Organisationen in der deutschen Kultur leben, ist es erkennbar schwierig eine Veränderung in den systemzugehörigen Unternehmen zu entwickeln, ohne, dass sich auch die Gesellschaft entwickelt.

Die bestätigenden Beispiele aus der Gesellschaft kommen aus dem Umgang mit der grassierenden Pandemie: Die öffentliche Diskussion zeigt das überdeutlich, eine der ersten Fragen von Journalisten ist, wer hat welchen Fehler gemacht, wer hat Schuld an der Situation. Es ist der gewohnte Blick auf die Defizite. Hier dienen als konkrete Situationen die vielen Talkshows zu Corona – an vorderster Front möchte ich hier Markus Lanz anführen.


Wir könnten auch fragen, welche Vorstellungen zu den Entscheidungen geführt haben, welche Entwicklungen haben wir übersehen, wie können wir jetzt reagieren, was müssen wir ändern…?  Das alles sind auch Erkenntnisse, die zum agilen Vorgehen geführt haben. Damit tun sich jedoch Gesellschaft, wie Organisationen schwer. Wobei hier auch zu bemerken ist, dass schon einige Organisationen diese Haltung bereits vorsichtig umzusetzen.

Ich höre schon die Aufschreie: es ist doch die Aufgabe von Journalisten und der öffentlichen Diskussion Kritik zu „üben“. Ja, Kritik muss auch in Politik und in Projekten geübt werden, es geht aber nicht um die Suche nach Schuldigen, sondern um die Weiterentwicklung in kritischen Situationen.


Wer handelt – vor allen bei neuen Herausforderungen – muss Fehler machen dürfen. Es geht also nicht darum, ob Kritik, sondern wie Kritik geäußert wird, wie unterstütze ich einen innovativen Entwicklungsprozess.

In neuen Führungs-Konzepten ist der Umgang mit Kritik ein wichtiger Aus- und Fortbildungs-Bestandteil, weil es nachweisbar bedeutsam ist, wie die Führungskraft kritisiert.


Vermutlich benötigen die Journalisten und Talkshow-Leiter eine ähnliche Entwicklungs-Unterstützung, sonst erschweren sie die gesellschaftlich kulturelle Entwicklung. Sie fördern dann vielleicht ungewollt (?) das, was sie kritisieren.

Übrigens: Politiker (vor allem Oppositions-Politiker), die für diese Entwicklung stehen, gewinnen gerade an Zustimmung – und nicht die, die die Anderen für schuldig und blöd halten.


Wie erleben Sie die kulturelle Entwicklung unserer Gesellschaft…?

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