Ute Döring | 13. Dezember 2021
Genau 660 Tage nach der offiziellen Gründung am 21.1.2020 habe ich Stefanie Nair und Alexander Straub wieder zum Interview getroffen. Diesmal nicht am Tegernsee, sondern bei einem Herbstspaziergang um den Kleinhesseloher See im Englischen Garten. Keine Ausnahme übrigens: Die besten Ideen entwickeln die beiden Münchner changefication- Berater nicht selten beim kreativen Brainwalk an der Isar oder im von Ludwig von Sckell so herrlich naturnah gestalteten Landschaftspark zwischen Innenstadt und Schwabing.
Meine erste Frage „Wie geht es euch?“ hätte ich mir eigentlich sparen können! Die gelassene und zuversichtliche Ausstrahlung von Stefanie und Alexander spricht an diesem sonnigen Novembernachmittag für sich.
War die Stimmung seit eurer Gründung Anfang 2020 immer so gut?
Stefanie:
Definitiv nicht! 6 Wochen nach unserer Gründung rief die WHO am 11.3.2020 die Corona-Pandemie aus und am 22.3 ging ganz Deutschland in den Corona-Lockdown. Für die changefication GmbH, deren Kerngeschäft Präsenz-Workshops zur Entwicklung von Menschen und Organisationen werden sollte, brachen wie für alle im Land schwierige Zeiten an. Das war erstmal ein Wechselbad aus Verzweiflung, Ratlosigkeit und Zuversicht und es ging uns zugegebenermaßen oft alles andere als gut.
Wie seid Ihr mit dieser Extremsituation umgegangen?
Alexander:
Gut, dass wir damals nicht gewusst haben, wie lange diese Ausnahmesituation anhalten würde und dass sogar noch ein zweiter Lockdown kommen würde. In der Retrospektive werten wir die erzwungene Auszeit so kurz nach der Gründung tatsächlich als Segen. Aber sicher geglaubte Aufträge brachen coronabedingt erst mal weg. Wir hatten existenzielle Probleme zu meistern, an die wir vorher im Traum nicht gedacht hätten. Wir hatten zugegebenermaßen schlaflose Nächte, Zweifel und Existenzängste bis hin zum Impuls, alles hinzuschmeißen.
Was hat euch daran gehindert, die Reißleine zu ziehen?
Stefanie:
Wir waren wohl beide so überzeugt von unserer Idee, hatten so viel Herzblut in unser „Baby“ investiert, dass Aufgeben keine Option war. Im Innersten haben wir fest daran geglaubt, dass alles gut wird und kontinuierlich für unser Unternehmen gearbeitet und neue Konzepte, z.B. agilerate® Leader, unser Führungskräfte-Entwicklungsprogramm, entwickelt.
Alexander:
Für mich war wichtig, dass wir uns 100% aufeinander verlassen konnten und uns gegenseitig unterstützt haben. Als Geschwister kennen und verstehen wir uns glücklicherweise in allen Lebenslagen sehr gut. Wir konnten unsere Schwächen zeigen, über unsere Zweifel reden und uns wie in einer guten Partnerschaft immer wieder gegenseitig aufbauen und motivieren. Nicht immer nur stark sein zu müssen, sondern sich auch mal vom anderen getragen, verstanden und aufgefangen zu fühlen, ist ja für Gründer keine Selbstverständlichkeit, sondern ein echter Glücksfall.
Wie habt ihr es geschafft, euch gegenseitig in dieser schwierigen Lage zu motivieren?
Stefanie:
Wir sind vom Typ her unterschiedlich. Daher ist es eher selten, dass wir auf die gleiche Situation gleich reagieren. Das hat uns sicher geholfen, unsere Ups and Downs auszugleichen!
Alexander:
Ich bin meist der Impulsivere von uns, der sich schnell und mit Begeisterung auf neue Ideen stürzt. Steffi hat zugegebenermaßen die bessere Draufsicht und ist eine überaus einfühlsame Ermutigerin, die mich regelmäßig zum „Jetzt-erst-recht“-Dranbleiben gebracht hat.
Wann war für euch der Wendepunkt zur wiedergewonnenen Leichtigkeit?
Alexander muss nicht lange überlegen:
Alexander:
Das war der 4. Mai 2021!
Als Eselsbrücke dürfte dem bekennenden Star Wars Fan das Datum des internationalen Star Wars Tages gedient haben! Ist „May the fourth (force) be with us“ also das neue changefication-Motto?
Stefanie lacht:
Unsere Leichtigkeit war ja nie wirklich weg und es gab auch zwischendrin kleine und größere Highlights! Dieser 4. Mai war trotzdem ein verrückter Tag, als mehrere Projekte unterschiedlicher Auftraggeber, die teilweise lange in der Pipeline waren, zeitgleich beauftragt wurden. Nüchtern betrachtet spielten dabei sicherlich mehrere Faktoren eine Rolle: Die neuen Herausforderungen für Teams durch hybrides Arbeiten und die vielerorts spürbare Notwendigkeit, die Arbeitswelt mit Corona neu und anders zu gestalten, waren sicher ein Grund. Hinzu kam, dass ab Mai gelockerte Maßnahmen, die ersten Impfungen und überall verfügbare Corona-Tests Präsenzveranstaltungen wieder möglich machten. Vielleicht lag es auch daran, dass an diesem ersten Dienstag im Mai die Sonne schien und ein Hauch von Frühling in der Luft lag. Für uns war es trotzdem ein kleines Wunder, das wir nach unserer langen Durststrecke so richtig gefeiert haben!
Ihr habt vorhin gesagt, dass diese Durststrecke in der Retrospektive ein Glücksfall war? Wollt Ihr etwas mehr darüber erzählen?
Alexander:
Tatsächlich hatten wir unfreiwillig plötzlich viel Zeit! Statt endlich mit unseren Ideen durchzustarten, mussten wir uns überlegen, wie wir uns als Beratung ausrichten. Wir haben neue Formate entwickelt, wichtige Dinge gelernt und herausfordernde Situationen durchlebt, die uns jetzt bei der Beratung unserer Kunden helfen. Dabei haben wir uns persönlich und inhaltlich weiterentwickelt und unser Portfolio erweitert. Rückblickend haben wir die Zeit sehr gut genutzt und sind tiefer in unsere verschiedenen Rollen wie CEO, CMO, CIO, CFO, usw. hineingewachsen.
Stefanie:
Detailthemen von Buchhaltung bis Marketing praktisch zu klären und strategische Grundfragen neu zu definieren, ist nicht nur lustig. In der Rückschau war es eine wertvolle Schule für unsere persönliche Entwicklung. Wir sind reifer geworden und können uns in der Beratung in die verschiedenen Rollen jetzt definitiv noch besser hineinversetzen. Diese Expertise ist auch bei künftigen Kundenprojekten hilfreich.
Mich interessiert, wie ein typischer changefication-Tag heute aussieht?
Stefanie:
Das Schöne bei der Arbeit in der changefication GmbH ist, dass tatsächlich jeder Tag anders ist. Gerade dadurch ist es wichtig, Struktur und Kreativität in eine produktive Balance zu bringen. Wir haben ein paar feste täglich und wöchentlich wiederkehrende Parameter, aber wir planen auch ganz bewusst kreative Freiräume ein.
Alexander:
Wir starten täglich gemeinsam mit dem 15-minütigen Daily, arbeiten dann einzeln oder im Team an inhaltlichen und operativen Themen. Der Spaziergang nach dem Mittagessen ist oft Bestandteil unseres Arbeitstages. Hier entstehen im Gespräch kreative Ideen, wie wir Aufgabenstellungen und Themen neu und anders angehen können. Nach Kundenmeetings, Teambesprechungen, etc. ist „Close the Day“ ein Format, bei dem unsere Mitarbeitenden und wir den Tag kurz Revue passieren lassen. Meist ist am Donnerstag „weekly“ – die wöchentliche, etwas längere Teambesprechung.
Was ist euer persönliches Erfolgsrezept, das ihr an andere weitergeben möchtet?
Alexander:
„Sei dir deiner Stärken bewusst und vertraue darauf!“ Sich an positives Feedback zu erinnern, ist eine gute Kraftquelle, wenn es mal nicht so rund läuft.
Stefanie:
Für mich ist die Reflektion sehr wichtig. Was ist gut gelaufen und warum? Was kann ich künftig anders machen, um besser zu werden? Wie kann ich meine Stärken gezielt stärken? Offenheit und der Wille immer wieder dazuzulernen, sind mein Tipp und persönliches Erfolgsrezept zugleich.“
Vielen Dank für das angenehme Gespräch! Wollen wir gleich den nächsten Termin in 660 Tagen fixieren?
Die beiden lachen und nicken.
Stefanie & Alexander:
Vielen Dank für das Gespräch, dann sehen wir uns am 2. September 2023!